Moonjourney

Trapped in Paradise: Lockdown im Ecovillage in Thailand

Den Lockdown in einem Ecovillage in Thailand zu verbringen mag erst einmal beneidenswert klingen. Allerdings machte mir deutlich zu schaffen, dass wir das Grundstück nicht verlassen durften.

Gaia Ashram

Die in den Raum einfallende Sonne riss mich unsanft aus dem Schlaf. Einen Moment war ich orientierungslos, doch dann erinnerte ich mich wieder. Seit gestern waren ich und Haikal wieder in Gaia Ashram, einem Permakultur Lernzentrum im Nordosten Thailands. Wir wohnen hier in einem kleinem Lehmhaus, dem sogenannten Fairy House. Montags bis Freitags helfen wir im Garten mit und essen, was das Land uns bietet. 

Es ist ein simpler Lebensstil, doch er taugt mir.

Ursprünglich geplant war eine Reise nach Sri Lanka, doch als sich die Ereignisse aufgrund der Corona Pandemie überschlagen haben, kehrten wir nach Gaia zurück, um Zuflucht zu suchen. 

Schmunzelnd musste ich an  Mr Uti Mhat denken. Er war ein freundlicher, älterer Herr, den wir bei unserer Ankunft mit dem Bus in Nam Suai fälschlicherweise für einen Tuk-Tuk Fahrer gehalten haben. Freundlicherweise hat er sich trotzdem die Zeit genommen uns mit seinem Gartenwagen nach Gaia zu fahren. Die Strecke beträgt eigentlich nur sieben Kilometer, doch wir brauchten länger als erwartet, da das Gefährt mit knappen zwanzig Kilometer pro Stunde am absoluten Limit war. 

Das Fahrzeug war offensichtlich nicht für zwei Erwachsene mit schwerem Gepäck ausgerichtet. Die Fahrt war holprig gewesen, was den schlechten Straßen geschuldet war. Doch ihn hatte all das nicht gestört. Die ganze Fahrt über hatte er Ruhe und Zufriedenheit ausgestrahlt. Auch ich war heiterer Stimmung gewesen und hatte mich an dem langsamen Tempo erfreut, da ich so in Ruhe die Umgebung betrachten konnte. Hübsch war es hier. Sehr ländlich, aber es gefiel mir. Schließlich -an der Einfahrt zu Gaia– hatte er am Straßenrand angehalten,  war mit einer für sein Alter überraschenden Leichtigkeit vom Fahrersitz gehüpft und hatte etwas aus seiner Hosentasche geholt.

“Me, Mr. Uti Mhat.”, hatte er stolz gesagt, wobei er auf den Namen auf seinen Personalausweis gedeutet hatte. In mir hatte das ein Schmunzeln hervorgerufen, denn seinen Namen hätte ich ihm auch ohne Beweis geglaubt. Fünfzig Baht hatte er für die Fahrt verlangt, umgerechnet nicht einmal Ein Euro fünfzig. 

An den Touristen-Spots muss man als Ausländer meist deutlich höhere Preise zahlen. In den ländlicheren Gegenden Thailands wird man allerdings mit Gastfreundschaft und Neugier von den Einheimischen aufgenommen.

Für die Thailänder in den ländlichen Regionen scheint man als Ausländer eben doch noch etwas Besonderes zu sein, denn aufs Land verirren sich eher selten  ‚Farrang“s, wie die Thailänder Touristen gerne zu nennen pflegen. 

Tuk-Tuk-Thailand
Lehmhaus-Thailand
Lehmhaus-Thailand
Lehmhaus-Thailand

Mango-Sticky Rice

“Wie wäre es mit Mango Stick Rice zum Frühstück?”, fragte mich Haikal. 

Meine Augen leuchteten auf. Wenn ich mich für Eines begeistern kann, dann für Essen. Insbesondere auf Reisen bin ich stets auf der Suche nach neuer Inspiration. Und in Thailand habe ich schon so einige kulinarische Schätze gefunden. Mango Stick Rice ist eines meiner thailändischen Lieblingssüßspeisen. Der klebrige Reis harmoniert wunderbar mit der Süße der Mango; Kokosnusssauce und Semamsamen verleihen dem Gericht eine nussige Note. 

In der Küche angekommen stellte ich erfreut fest, dass alle Zutaten vorhanden waren und so kochten wir munter drauf los. Das Ergebnis war ein eher matschiger Reisbrei mit Mango als Topping. 

Ein klassisches Beispiel dafür, dass es ab und zu doch nicht schadet nach Rezept zu kochen.

Hätten wir das getan, wäre uns wohl klar gewesen, dass man für den Mango Sticky Rice eine bestimmte Reissorte benötigt, nämlich -wie der Name schon andeutet- den sogenannten ‚Sticky Rice‘ oder ‘Klebereis’. 

Auch hätten wir gewusst, dass dieser gedämpft werden muss, anstatt –wie in unserer Variante- in Kokosnussmilch gekocht zu werden. Allerdings wäre unser Frühstück nicht vor Nachmittag fertig geworden,  hätten wir nach Rezept gekocht. Denn der Klebereis muss vor dem halbstündigen Dämpfprozess erst einmal drei Stunden in Wasser eingeweicht werden. Ist er dann bissfest, wird der Reis mit Sesam, reichlich Zucker, etwas Salz und Kokosnussmilch im Wok angebraten und mit Mango garniert. 

Hat man Klebereis vom Vortag über, ist Mango Sticky Rice ein super easy und schnell zubereitetes Frühstück! 

Oberste Priorität hatte für mich an diesem wundervollen Sonntag: Wäschewaschen. Seit Tagen lief ich schon mit schmutzigen Klamotten herum, da ich und Haikal die letzte Woche nie lange genug an einem Ort gewesen waren, um Wäsche zu waschen. 

Diese lästige Angelegenheit wollte ich mit einer kleinen Fahrradtour verbinden, um die Umgebung um Gaia erkunden. Ein letztes Mal die Freiheit spüren, bevor wir dann für die nächsten Wochen das Grundstück erst einmal nicht mehr verlassen dürften. 

Ecovillage-Thailand-Gong

Hilfe, Quarantäne!

Tom, der Besitzer Gaia’s,  hatte gestern angekündigt, dass wir heute die Möglichkeit haben würden letzte Besorgungen zu erledigen, bevor am Montag dann offiziell die Quarantäne beginnen würde. ‘Craving Tour’ hatte er es scherzhaft genannt. 

Als Haikal und ich uns zwei der klapprigen Fahrräder schnappen wollten, ertönte der Gong.

Wir begaben uns also zum Sala, um zu sehen was los war. Die anderen Community-members trudelten ebenfalls ein.

„Wir haben uns überlegt, wie wir die ‘Craving Tour’ so verantwortungsbewusst wie möglich gestalten können.”, begann Lars. Als einer der Chore-Members Gaias ist er ebenfalls in organisatorische Angelegenheiten involviert. “Tom holt später noch zwei Neuankömmlinge aus Udon Thani ab. Ihr erstellt eine Listen mit all den Dingen, die ihr unbedingt braucht. Einer von euch kann dann später mitfahren und innerhalb von einer halben Stunde alles im Supermarkt besorgen. Die Spritkosten müsst ihr dann untereinander aufteilen.” 

Ich spürte Ärger in mir aufkommen. So hatte ich mir die ‘Craving Tour’ sicher nicht vorgestellt. 

„Aber ich muss meine Wäsche waschen.”, wendete ich ein. “Und ich will keinem zumuten meine dreckigen Klamotten zu waschen.” Dagegen war wohl nichts einzuwenden, oder?

„Du kannst deine Wäsche mit der Hand waschen.”, erwiderte Lars. 

„Aber ich finde das unhygienisch.”, kontere ich. 

“Dir ist bewusst, dass Handwäsche hygienischer ist, weil die Waschmaschinen im Dorf kalt waschen.”, erklärte mir Lars nüchtern.

“Aber ich finde es eben unhygienisch.”, wiederholte ich nun mit mehr Nachdruck. Ein nicht zu überhörender zickiger Unterton haftete meinen Worten an. Es war eine Lüge. Auf meiner ersten Reise durch Asien habe ich sechs Monate ausschließlich mit der Hand gewaschen ohne mich daran zu stören.

Dass es bei unserer Diskussion längst nicht mehr um Wäsche geht, war offensichtlich.  

An Lars mitleidigen Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er sich darüber bewusst war. Das worum es fing war Freiheit. Die Freiheit, das Grundstück ein letztes Mal zu verlassen. 

Sonnenuntergang-Thailand

Im Gefühlschaos…

“Ich brauche nichts vom Supermarkt.”, sagte ich kühl. Dann warf ich meine Haare hinter den Kopf und rauschte ab. Ich rannte zum Teich, zog meine Kleider aus und sprang ins Wasser. Ich tauchte unter und hielt die Luft an. 

‚Nicht bereuen, nicht bereuen, nicht bereuen!‘

Wie ein Mantra wiederholte ich die Worte in meinem Kopf. Negative Gedanken sind nur Energieverschwendung. Es ist passiert und ich kann es nicht mehr ändern

Ich war mir durchaus darüber bewusst gewesen, dass sich unsere Community in Quarantäne begeben würde, bevor ich nach Gaia zurückgekehrt bin. Und ich habe mich auch darauf eingestellt. Doch ich habe die Illusion gehabt, dass ich noch diesen einen Tag hätte, um das zu machen was ich wollte. Auch wenn es nichtig erscheinen mag, war dieser eine Tag in diesem Moment für mich von so entscheidender Bedeutung, dass ich das Gefühl hatte, mein Leben würde davon abhängen. Wie an einem Seil, das zu reißen drohte. 

Jetzt ärgerte ich mich darüber, dass wir uns so beeilt damit haben, zurückzukommen. Wir hätten uns noch zwei schöne Tage in Pattaya machen können und in Ruhe unsere letzten Erledigungen tätigen können. Vor meinem inneren Auge sah ich, wie ich mit einer frischen Kokosnuss am Strand saß und meine Freiheit genoss. Doch der Zug war abgefahren. 

Akzeptanz der Locals 

Bei unserem letzten Besuch in Gaia hat uns Tom erklärt, dass die Einheimischen Gaia Ashram jahrelang als ‘Foreigner House’ bezeichnet haben. Es hatte Tom und Om viel Mühe gekostet dieses Bild zu ändern und die Akzeptanz der Dorfbewohnern zu gewinnen. 

Würde einer von uns den Virus nach Ban That schleppen, müsste Tom Gaia dicht machen und damit seine Träume begraben. Die fehlende Akzeptanz der Einheimischen hat schon in einigen Fällen für das Scheitern eines ähnlichen Projekts gesorgt. Daher ist Tom vorsichtig. Ich verstand das alles. Aber ich hatte Probleme damit, es zu akzeptieren.

Sonnenblumen

Unsere Community wächst…

Mit Haikal Abendessen zuzubereiten war das Einzige, was mich jetzt aufheitern konnte. Ich überließ ihm das Ruder in der Küche und half ihm dabei, den Reis zuzubereiten, das Sambal zu kochen und Gemüse anzubraten. 

Während wir kochten, tauchten zwei unbekannte Männer in der Küche auf.

Das mussten die Neuen sein, die Tom heute abgeholt hat. Der eine war großbewachsen und hatte auffallend dunkle Locken. Er stellte sich als Jullien vor, unverkennbar ebenfalls Deutscher. Der andere hieß Corrie und hatte die gleiche gebräunte Haut wie Haikal, allerdings große, blaue Augen. 

Unser Essen war fertig und so bot ich den beiden etwas an. Sie mussten hungrig sein. Zu viert saßen wir an dem kleinen Tisch vor dem Sala und aßen das schlichte Gericht. Nasi Goreng, was in Malay ‘gebratener Reis’ bedeutet. Haikal hat mir schon seit Wochen damit in den Ohren gelegen, dass er das Essen aus seiner Heimat vermisst.

Jullien studiert Erneuerbare Energien und nutzt seine Semesterferien, um mehr über die These seiner Bachelorarbeit zu forschen, in der es um die Erzeugung von Biogas geht. Vor Gaia hat er bereits einige Wochen in einem anderen Ecovillage im Süden von Thailand verbracht. 

Corrie ist durch den Permaculture Design Course, kurz PDC, auf Gaia gestoßen. Da dieser jedoch gecancelt worden ist, hat er sich dazu entschieden als Freiwilliger zu kommen. Er ist Australier mit malaysischen Wurzeln, lebt allerdings schon seit zwanzig Jahren in Südostasien; davon seit zehn Jahren auf Bali. Die Grenze zu Indonesien ist inzwischen dicht und so bleibt ihm vorerst nur die Wahl hier zu bleiben oder nach Australien zurückzukehren.  

„Spannend.”, bemerkte Corrie. “Wir sind eine große Gruppe und können so viel voneinander lernen. Das wird eine prägende Erfahrung für uns alle.” 

Er sollte recht damit behalten. Die Zeit in Gaia würde eine der wertvollsten Zeiten meines Lebens sein.

Rosella-Pflanze

1 Kommentar zu „Trapped in Paradise: Lockdown im Ecovillage in Thailand​“

  1. A fascinating discussion is definitely worth comment. I do think that you ought to publish more about this topic, it may not be a taboo subject but typically people dont speak about such issues. To the next! Many thanks!!

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