Perspektivenwechsel: Ein Alles veränderndes Gespräch
In Thailand gestrandet während dem Lockdown? Was sich auf den ersten Moment wie ein Traum anhört barg für mich eine wahre Herausforderung. Ein Gespräch mit einem der Community-Members im Ecovillage allerdings führte mir vor Augen, dass die Corona Krise auch Chancen barg.
Zukunftsängste: Wohin nun?
Nach der Migräne, die mich die letzten drei Tage begleitet hatte, war ich heilfroh meinen heutigen Tag schmerzfrei zu starten. Nach der morgendlichen Yogapraxis fühlte ich mich geerdeter. Nichtsdestotrotz war ich nicht vollständig präsent; merkte, wie ich gedanklich abschweifte.
Die Frage, wohin es gehen sollte, beschäftigte mich immer noch.
Mein Verstand wägte alle Optionen ab, die mir geblieben waren; versuchte eine rationale Lösung für das Problem zu finden. Die an Thailand grenzenden Länder hatten ihre Grenzen geschlossen. Sri Lanka stellte keine Visa bis mindestens Ende März aus. Vielleicht Bali? Von Indonesien hatte ich noch nicht viel gehört. Doch nach einem Anruf mit der indonesischen Botschaft wusste ich, dass auch diese Option ausschied. Oder ganz weit weg? Nach Südamerika? Ich wollte schon immer einmal den lateinamerikanischen Kontinent bereisen. Mit Herumreisen sah es im Moment zwar schlecht aus, doch ich ich hatte auch nichts dagegen, einige Monate am gleichen Ort zu leben.
Bei dem Gedanken an Mexico, Kuba, Kolumbien, Costa Rica, Argentinien und Peru begann mein Herz schneller zu schlagen. Nach etwas Recherche stellte ich fest, dass der Großteil der südamerikanischen Länder noch Visa ausstellte.
Doch eigentlich wusste ich, dass die Reise nach Südamerika aufgrund der hohen Anzahl an Flugausfällen schwierig werden würde. Es gab keinen Direktflug von Thailand nach Südamerika und ich wollte nicht riskieren, in irgendeinem Flughafen der Welt zu stranden, den ich dann im schlimmsten Fall die nächsten Monate lang nicht mehr verlassen dürfte.
Oder doch auf eine einsame Insel fliehen?
Eigentlich gefällt es mir in Thailand auch recht gut. Wieso reisten wir nicht auf eine der traumhaften Inseln im Süden, mieteten uns dort eine kleine Hütte am Strand und genossen die tropische Idylle? Unsere erste Woche in Thailand haben wir auf Koh Wai verbracht, einer klitzekleinen Insel im Golf von Thailand. Einem Ort der Ruhe und der Idylle.
Auf Koh Wai gibt keine Straßen, keine Läden, nicht einmal einen 7 Eleven, einem jener Convenience Stores, die im Rest des Landes ebenso zahlreich vertreten sind wie bei uns Dönerbuden oder Bäckereien. Unsere kurze Zeit auf der Insel haben wir in einer kleinen Hütte am Strand gelebt und ich liebte es, mit dem Rauschen des Meeres aufzuwachen und von unserer Veranda nur wenige Schritte bis zum Wasser zu laufen.
Barfuß bahnten wir uns über die schmalen Pfade den Weg durch den Dschungel, erkundeten die Unterwasserwelt und verwöhnten uns mit dem leckeren, thailändischen Gerichten in dem einzigen Restaurants der Insel.
Strom und Internet gab es täglich nur vier Stunden. Zu unserem Glück, denn Elektrizität wurde mithilfe eines nicht gerade leisen Generators erzeugt.
Ich hatte das Inselleben genossen. Wieso diese Erfahrung nicht noch einmal wiederholen? Vielleicht nicht auf Koh Wai, sondern auf einer etwas größerenInsel. Einer mit Straßen, sodass wir uns einen Roller mieten könnten. Und eine Strandhütte mit Küche. Und jeden Tag unser eigenes Essen kochen könnten. Und dann würden wir uns einen Schnorchel kaufen und den ganzen Tag lang tauchen gehen.
Ich begann mich für die Idee zu begeistern. Kosten würde uns der Lebensunterhalt auf der Insel vermutlich nicht viel mehr als in Gaia. Denn auch in hier zahlten wir täglich stolze zehn Euro pro Person für Verpflegung plus weitere hundert Euro monatlich für die Miete unseres Lehmhäuschens. Und wieso sollten wir arbeiten, wenn wir nicht in geringster Weise dafür entlohnt werden würden?
Eine neue Perspektive…
Beim Aufräumen der Küche nach dem Mittagessen kam ich mit Corey ins Gespräch. Einem spontanen Impuls heraus folgend öffnete ich mich ihm und teilte meine Gedanken und Gefühle mit ihm. Er hörte mir aufmerksam zu und wartete geduldig, bis ich mit meinen Ausführungen fertig war.
„Ich glaube wir sind alle im gleichen Boot.“, erwiderte er daraufhin. „Mir ging es ähnlich wie dir, bevor ich mich entschieden habe, trotz des abgesagten PDC nach Gaia zu kommen. Vor einer Woche, als die Situation sich rasant zuzuspitzen begann, befand ich mich in Malaysia, wo ich Freunde besucht hatte. Ich fühlte mich immens unter Druck gesetzt und war gezwungen, schnell eine Entscheidung zu fällen. Zurück nach Bali oder doch den Sprung nach Thailand wagen? Ob das PDC stattfinden würde, hing noch in der Schwebe.“
„Trotzdem flog ich nach Bangkok“ fuhr er fort „Gerade noch rechtzeitig, denn am Tag darauf machte Malaysia die Grenzen dicht. Dann kam die Nachricht, dass das PDC abgesagt werden muss. Ich war erst frustriert, entschied dann allerdings das Beste aus der Situation zu machen und als Freiwilliger nach Gaia zu kommen. Seit ich hier bin, geht es mir besser. Ich bin unglaublich dankbar dafür, in dieser Krisensituation in einer so wundervollen Gemeinschaft gelandet zu sein.“
„Wir sind eine so bunt gemischte Truppe und haben die Chance, unsere Erfahrungen und Gedanken auszutauschen und unglaublich viel voneinander zu lernen.“ erklärte Corrie. „Ich werde Alles, was mir hier in Gaia wieder fährt, wie ein Schwamm aufsaugen und so viel aus dieser Erfahrung ziehen wie möglich. Ich sehe diese Krise als Herausforderung, die mir das Leben stellt und als Chance, daran zu wachsen. Glaub mir, wenn das Alles vorbei ist, werden wir alle so viel stärker aus Gaia herausgehen.“
Wir sind immer dort, wo wir sein sollen!
Ich war unglaublich beeindruckt von seiner Sichtweise auf die Krise. Als Chance zu wachsen und sich innerlich weiterzuentwickeln. Nach diesem Gespräch folgte dem schmalen Pfad von der Küche aus durchs Dickicht der Bananenbäume, bis ich beim Teich angekommen war.
Ich setzte mich ans Ufer, ließ mein Fuße ins Wasser baumeln und malte mit meinen Fingern Kreise in den schlammigen Untergrund. Plötzlich fühlte ich mich ganz beschwingt. Ich wollte überhaupt nicht mehr auf einer exotischen Insel sein. Wozu auch? Um die Tage mit Strandspaziergängen und faulenzen verstreichen zu lassen?
Innerlich spürte ich, dass mich auf eine idyllische Insel zu flüchten eigentlich nur eine Flucht vor meinem Schicksal wäre.
Eine Flucht vor den Aufgaben, die das Leben für mich bereit hielt. Ich spürte, dass mich das Leben nicht grundlos nach Gaia geführt hatte. Ich war hier, um etwas zu lernen. Was genau, das war wusste ich noch nicht, doch ich wollte nichts mehr, als genau das herauszufinden.
Jetzt erschien es mir lächerlich, dass ich noch vor wenigen Stunden am liebsten auf einer einsamen Insel gewesen wäre. Die Zeit in Gaia war doch so unglaublich kostbar. Ich hatte das Gefühl, genau an dem richtigen Ort zu sein. Und eines war klar: Die nächsten Wochen in Gaia würden nicht spurlos an mir vorbeigehen.
Ich fühlte mich im Reinen mit mir selbst und unglaublich dankbar, hier zu sein. Meine innere Krise war vorüber. Ich verharrte für einen Moment und schenkte mir selbst ein tiefes Lächeln. Danke! Ich nehme die Herausforderung an!, sprach ich die Worte in meinem Inneren.
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