Masseria Cultura: künstlerische Assoziation in Apulien
Masseria Cultura: Was und Wo?
Die Masseria Cultura ist kulturelle Assoziation in Apulien geboren im März 2019 in Noci. Geleitet wird das Projekt von Jacques Leo und Fabrizia Franco. Alle sechs Monate gibt es einen Open-Call für Künstler aus der ganzen Welt die für zwei bis vier Wochen in der Masseria Cultura leben wollen.
Die Masseria Cultura ist geprägt von ihrer Geschichte, den ständig wechselnden Bewohnern und der umliegenden Natur.
Sie bietet den Künstlern einen Ort zu arbeiten und sich gleichzeitig neu zu entdecken. Das Artist-Residency-Programm stellt einen kulturellen Austausch dar: einerseits erhalten die Künstler die einzigartige Möglichkeit, in der idyllischen Masseria im Einklang mit der Natur zu leben, andererseits kreieren sie im Gegenzug einen künstlicheren Mehrwert für die Region, was sich in Form eines Events oder eines Kunstwerks äußern kann. Auf diese Weise verwirklicht sich jeder Künstler durch sein individuelles Projekt in der Masseria und in der Region.
Farbrizia betonte stets ausdrücklich, dass sich nicht nur Maler für das Artist-Residency-Programm bewerben können, sondern Künstlern aller Bereiche.
In der Vergangenheit zählten neben Malern auch Sänger, Architekten, bildende Künstler und Designer zu den Stipendiaten.
Die Masseria selbst wurde 1881 erbaut und besteht vollständig aus Trockenmauerwerk. Die traditionelle Technik mit der ebenfalls die Trullos, jene apuliesischen Häuser mit den spitzen Dächern erbaut wurden, gilt als besonders ökologisches Bauwerk, da keinerlei Mörtel verwendet wird um das Mauerwerk zusammen zu halten.
Jacque passionierte sich für Geschichte und so wusste er über jedes kleinste Detail der Masseria Bescheid. Früher hatten hier wohl gute fünfzig Mann gelebt. Es wurde das genutzt, was die Natur hergab. Auf dem Dach des Haupthauses wurde Regenwasser in dem rillenförmigen Dach gesammelt, das daraufhin in einer riesigen Zisterne gespeichert wurde. Unter der Masseria befand sich ein großer Keller, in den es durch einen Schlitz in der Decke im Winter hineinschneite. Dort würde sich der Schnee dann das ganze Jahr über halten und diente den Bewohnern der Masseria als eine Art Kühlschrank.
Seit meinem Aufenthalt in der Masseria hat die Assoziation ihren Standort gewechselt und befindet sich mittlerweile in einer genauso wundervollen Masseria in Conversano in der Nähe von Bari.
Werte und Mindset der Assoziation
Nachhaltigkeit ist eines der Grundprinzipien der Masseria Cultura worunter verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen zählt. So haben sie auch einen Gemüsegarten auf dem Gelände angelegt, das mit der Zeit mehr und mehr Lebensmittel für die Bewohner generiert.
Die Mission der Masseria Cultura ist es, kontemporäre Kunst und Kultur von den Städten hinaus aufs Land zu bringen.
Jacque und Fabrizia wollten vor allem in kulturell schwächer aufgestellten Regionen unterstützen, was ebenfalls ein Grund für die beiden war, die Masseria Cultura in Apulien zu gründen.
Die Idylle des Landlebens
Die Masseria war ein ruhiger Ort der Idylle. Kein Lärm vorbeifahrender Autos, höchstens das Bellen der Hunde oder das Heulen des Windes. Der nächste Nachbar war einige hundert Meter entfernt. Eines Morgens war ich hinaus auf die Veranda getreten und hatte fünf Pferden im Garten gegenübergestanden.
Auch Fabrizia und Jacque hatten keine Ahnung, woher die Tiere kamen. Im Laufe des Tages löste sich das Rätsel: Die Pferde waren vom Nachbarn abgehauen. Daraufhin blieben die Tiere die nächsten Tage lang in der Masseria, denn sie hatten bei ihrer Flucht den Zaun des Geheges zerstört, und außerdem gab es in der Masseria ein Stück Wiese, das abgegrast werden musste. Ein Win-Win für beide Seiten also.
Als Volunteer in der Masseria
Auf die Masseria gestoßen war ich im Februar 2021 über Workaway. Zwei Wochen später holte mich Fabrizia von der Bushaltestelle in Alberobello ab. Es war Anfang März. Es war kalt. Sollte es um diese Jahreszeit nicht schon warm im Süditalien sein? Aber hier in der Region wehte stets ein frischer Wind, der an manchen Tagen mit knapp fünfzig Stundenkilometern über die Ebene rauschte und die Grashalme in tanzende grüne Wellen verwandelte.
Auf dem Vintagemarkt in Ostuni deckte ich mich gleich zwei Tage nach meiner Ankunft mit dicken Pullis ein. Die leichten Klamotten, die ich aus Deutschland mitgebracht hatte, blieben für den gesamten Monat in meinem Koffer verstaut. Tagsüber war ich meist dick eingepackt, abends saß ich vor dem Kamin und wärmte mich am Feuer. Fabrizia meinte, sie hätte sich bereits an die Kälte gewohnt. Der erste Winter hatte sie abgehärtet, als es weder den Kamin noch Fenster in der Masseria gegeben hatte.
In der Masseria gab es stets etwas zu tun und die Arbeit war nie die Gleiche. In meiner ersten Woche begann ich, die achtzehn Trullis auf dem Gelände nach apuliesischer Tradition mit Kalkfarbe zu streichen. Da der Kalk im Laufe des Jahres vom Regen abgewaschen wird, müssen die traditionellen Häuser mit dem Spitzdach jedes Jahr aufs Neue gestrichen werden.
An anderen Tagen jätete ich Unkraut im Gemüsegarten, in dem Jacque und Fabrizia Gemüsesorten der Region anbauen: Cimi di Rapa, apuliesische Bohnen, Endiviensalat, Spinat und Fenchel. Gab es einen Workshop half ich Fabrizia, mich um die Teilnehmer zu kümmern.
Im ständigen Wandel
Jacque und Fabrizia hatten seit dem Beginn des Projekts vor zwei Jahren bereits eine ganze Menge geleistet. Die Masseria selbst war bereits renoviert und bewohnbar, ebenso wie das Studio und der Ausstellungsraum. Was die achtzehn Trullos anging, gab es allerdings noch eine ganze Menge zu erledigen. Doch Stück für Stück sollten auch diese renoviert werden.
In einem der Trullos versteckte sich mein Lieblingskunstwerk: Die Wände und Decke des kegelförmigen Häuschens waren mit Kalk in unterschiedlichen Roststadien bemalt worden.
Traditionell genutzte Materialen wie Kalk auf eine ungewöhnliche, neue Art zu verwenden, macht den Betrachter des Werks auf die Besonderheit des Materials aufmerksam, das er bislang möglicherweise nicht einmal wahrgenommen hat.
Ein Ort der Inspiration
Für mich persönlich stellte es eine unglaubliche Bereicherung dar, von Künstlern verschiedenster Berieche umgeben zu sein und mich von ihnen inspirieren zu lassen. Roberto Niño, ein kolumbianischer Foto- und Videokünstler weckte mein Interesse an Videographie und führte mir in seinem Workshop vor Augen, dass jeder eine individuelle Perspektive von Orten oder Ereignissen hat. Gerade in dieser Vielfalt liegt die Besonderheit.
Ein Keramikkünstler brachte mir mehr über sein Handwerk bei und half mir, eine Schüssel mit dem Drehrad herzustellen. Außerdem zeigte er mir Techniken, Gegenstände mit der Hand zu formen.
In der Masseria hatte ich voll und ganz den Raum mich auszuprobieren und hier verliebte ich mich in Keramikkunst!
Ich stellte Räucherstäbchenhalter verschiedenster Formen her und nachdem diese gebrannt worden waren, bemalte ich die Stücke. In der Keramikkunst entdeckte ich eine neue Leidenschaft. Während meiner Arbeit war ich absolut vertieft und die Zeit verging wie im Flug. Ich liebte hübsche Schüsseln, Tellerchen und Tassen und so war ich ganz entzückt, dass mir auch deren Herstellung solche Freude bereitete.
Meine letzte Woche in der Masseria verbrachte ich mit zwei Designern, die in Florenz das Studio Lievito gegründet hatten. Obwohl ich durch meinen Vater praktisch mit Design groß geworden bin, weckten Francesco und Laura ein neues Interesse an ihrem Kunstbereich in mir.
Auch kulinarisch erhielt ich durch Fabrizia und Jacques herausragende Kochkünste neue Ideen und Anregungen. Fabrizia verwöhnte Künstler und Workaway mit ihrer köstlichen Fusion-Küche. Meine Lieblingsgerichte waren Schwarzer Reis getoppt mit Rote-Beete-Hummus sowie Cime di Rapa, ein typisch apuliesisches Gemüse, dass Brokkoli ähnelt, allerdings eine bittere Note hat. Jacquqe hingegen sorgte dafür, dass wir die Spezialitäten Apuliens kosteten und brachte uns die besten Pizza und Panzerottis der Region sowie verschiedenste Käsesorten, mein absoluter Liebling: geräucherten Burrata.
Authentizität statt Massentourismus
Die Energie der Masseria veränderte sich stets mit seinen wechselnden Bewohnern und so gab es Abende, an denen jeder für sich in ein Buch vertieft vor dem Kamin saß und andere, an denen wir bis um Mitternacht quatschten und lachten. Ich genoss es, nicht als Touristin nach Apulien gekommen zu sein, sondern für einen Monat in Noci in dieser wundervollen Gemeinschaft gelebt zu haben.